Der zunehmende Zeit- und Kostendruck in der Entwicklung sowie das Bestreben nach kosten- und gewichtsoptimierten Produkten macht eine ganzheitlichere Sichtweise der Auslegung erforderlich. Dem leisten wir im Bereich der festigkeitstechnischen Auslegung bzw. Nachrechnung mit dem Konzept der Gebrauchseignung (Fitness-for-Service, Fitness-for-Purpose) Folge. Üblicherweise wird der sichere Betrieb eines Bauteils durch vier Faktoren beeinflusst, die gesamtheitlich betrachtet werden müssen:
- Beanspruchung des Bauteils
- erforderliche Lebensdauer des Bauteils
- örtlicher Zustand des Werkstoffes
- etwaige Schädigung im Verlauf von Herstellung und Betrieb
Die Vorhersagegenauigkeit der Festigkeitsrechnung wird maßgeblich davon bestimmt, wie genau die Beanspruchung des Bauteils im Betrieb bekannt ist. Dazu gehören neben der üblichen statischen und zyklischen Beanspruchung einschließlich seltener oder periodischer Überlasten vor allem auch Einflüsse durch die Umgebung, wie z.B. durch erhöhte oder stark schwankende Betriebstemperaturen, korrosive Medien, Wasserstoffversprödung usw.
Die Lebensdauer des Bauteils ergibt sich aus der Produktlebensdauer und der Entscheidung, ob das Bauteil im Zuge regelmäßiger Serviceintervalle getauscht werden kann oder soll – mit dem klassischen Entscheidungsdilemma, Herstellkosten, Instandhaltungskosten und Ausfallwahrscheinlichkeit gegeneinander abzuwägen.
Die Werkstoffwahl erfolgt anschließend entsprechend der Beanspruchung, der Lebensdauer und allfälliger Zusatzanforderunger an Bauteilabmessungen und -gewicht. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Herstell- und Nachbehandlungsprozesse zu richten, welche die örtlichen Werkstoffeigenschaften in den hochbeanspruchten Bereichen erheblich verbessern können. So können z.B. durch Wärmebehandlung und Nachbehandlungsprozesse wie Hämmern, Kugelstrahlen oder Festwalzen Eigenspannungen eingebracht werden, die ein hohes Potenzial zur Festigkeitssteigerung und/oder Lebensdauerverlängerung besitzen.
Eine mögliche Schädigung im Verlauf von Herstellung und Betrieb führt zum Konzept der Schadenstoleranz. Mit Hilfe bruchmechanischer Methoden lässt sich der Einfluss sowohl herstellungsbedingter Ungänzen (Guss-, Schmiede-, Walzfehler) als auch betriebsbedingter Schäden (Foreign Object Damage, wie z.B. Vogelschlag in Luftfahrtanwendungen oder Schotterflug bei Eisenbahnfahrwerken) bewerten. Diese Herangehensweise führt auf natürliche Weise zu optimierten Instandhaltungskonzepten, indem der Zeitpunkt der nächsten wiederkehrenden Inspektion entsprechend der Größe des festgestellten Fehlers festgelegt wird. Dazu ist allerdings das (Nicht-)Vorhandensein von Fehlern ab einer bestimmten Größe mit Methoden der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung nachzuweisen.