Prozess- & Prozesskettensimulation
Werkstoffe und ihre Eigenschaften sind nicht alleine durch die chemische Zusammensetzung bestimmt, sondern werden auch durch den Herstellungsprozess zu dem, was sie sind und können. Das genaue Verständnis um die Vorgänge bei der Herstellung und um den Zusammenhang zwischen Herstellungsprozess und Werkstoffeigenschaften ist daher essentiell wichtig.
Dieses Verständnis und die daraus abgeleiteten Strategien zur Eigenschaft- und Werkstoffverbesserung können wesentlich durch die numerische Simulation unterstützt und vorangetrieben werden. Neben dem Produkt, das den Herstellungsprozess durchläuft, erstreckt sich die Forschung am MCL auch auf die bei der Herstellung verwendeten Werkzeuge. Die Werkzeuge machen viele der Prozess- und Materialinnovationen erst möglich.
Die Forschung zu Prozess und Prozesskettensimulation am MCL erstreckt sich über die folgenden Themen:
Wärmebehandlungssimulation
Ein spezieller Fokus bei der Forschung zu Produktionsprozessen am MCL liegt auf der Wärmebehandlungssimulation von Stählen. Dabei laufen eine Reihe physikalischer Phänomene (z.B. Wärmeaustausch, Wärmetransport, Visko-Plastizität, Phasenumwandlung, Umwandlungsplastizität) gleichzeitig und sich gegenseitig beeinflussend ab. Die komplexen Vorgänge und deren Auswirkung auf die über das Bauteil inhomogen verteilten lokalen Werkstoffeigenschaften und Eigenspannungen unterliegen stark nichtlinearen und gekoppelten Gesetzen. Sie sind ohne numerische Wärmebehandlungssimulation nur sehr schwer zu verstehen und im Detail zu kontrollieren. Das MCL verfolgt bei der Wärmebehandlungssimulation einen stark physikalisch basierten und an die Materialwissenschaft gekoppelten Ansatz und hat dementsprechende über den Stand der Technik hinausgehende Materialgesetze entwickelt und implementiert.
Unter den unterschiedlichen Wärmebehandlungsprozessen stellt die induktive Wärmebehandlung durch die zusätzliche elektro-magnetische Kopplung eine aus Sicht des Prozessdesigns und der Prozesskontrolle - aber auch aus Simulationssicht - eine besondere Herausforderung dar. Das MCL setzt daher einen besonderen Fokus auf die Simulation der induktiven Wärmebehandlung mit dem Ziel einer automatisierten, modellbasierten Prozesssteuerung zur robusten Erreichung bestimmter Zieleigenschaften.
Um die gewonnen Erkenntnisse zu validieren und noch besser auf die realen Prozesse übertragen zu können, verfügt das MCL neben klassischen Wärmebehandlungsaggregaten auch über einen einzigartigen Induktionswärmebehandlungsprüfstand.
Eigenschaftsvorhersage und Eigenspannungsdesign
Die Prozesskettensimulation ist ein stark wachsendes Forschungsfeld. Einerseits werden die erforderlichen Eigenschaftsschwankungsbreiten von Halbzeugen und Bauteilen immer enger, was den Genauigkeitsanspruch an Eigenschaftsprognosemodellen laufend hebt. Andererseits lassen es die zunehmende Rechnerleistung und die ständige Verbesserung der Simulationsmodell der einzelnen Herstellungsprozessschritte heute zu, die gesamte Produktionsketten - wenn nötig vom Urformen bis zum Oberflächenfinishing - in die Eigenschaftsprognose mit einzubeziehen.
Um eine durchgängige Prozesskettensimulation zur Eigenschaftsvorhersage durchzuführen, benötigt man eine detaillierte Kenntnis und geeigneter Simulationsmodelle der jeweiligen Einzelprozesse in der Herstellungskette und zusätzlich Schnittstellenprogramme zur Datenübergabe zwischen den jeweiligen Simulationen der einzelnen Prozessschritte. Beispiele für Prozessketten, die am MCL betrachtet werden, sind:
- Gießen und Wärmebehandlung von Aluminiumbauteilen,
- Walzen, Schnellkühlen und Richten von Stahlblechen,
- Umformen, induktives Härten und Anlassen von Stahlstangen und
- Schmieden und direkt anschließendes Wärmebehandeln von Nickelbasiswerkstoffen
Um die Erkenntnisse aus den meist auf finiten Elementen basierten Prozessmodellen für die modellbasierte Anlagenregelung nutzbar zu machen, muss die Rechenzeit von vielen Stunden in den Bereich von Sekunden oder Millisekunden reduziert werden. Hierzu hat das MCL in vergangenen und aktuellen Forschungsprojekten effektive Modellreduktionsmethoden entwickelt.
Zerspanungssimulation
Ein sehr großer Kosten- und Qualitätsfaktor in der Produktion von Bauteilen ist die spanende Bearbeitung. Bei den klassischen Zerspanungsprozessen Drehen und Fräsen treten binnen kürzester Zeit sehr hohe lokale Verformungen und eine starke Materialerwärmung auf. Dies führt einerseits zu extremen Werkzeugbelastungen und andererseits wird dadurch die Qualität der Bauteiloberfläche hinsichtlich Oberflächenrauigkeit und Eigenspannungszustand wesentlich beeinflusst. Das MCL forscht auf dem Gebiet der Zerspanungssimulation
- an der Zerspanbarkeit von Werkstoffen
- an der Auswirkung des Zerspanungsprozesses auf die Ermüdungs- beziehungsweise Rollkontaktermüdungslebensdauer
- an der Dynamik der Zerspanung und
- an der idealen Werkzeuggestaltung hinsichtlich Grundwerkstoff, Beschichtung und Geometrie
Werkzeuglebensdauer
Innovative Werkzeuge und Werkzeugtechnologie sind seit jeher eine Grundvoraussetzung für viele neue Produktions- und Werkstofftechnologien. Werkzeuge unterliegen extremen mechanischen, thermischen und tribologischen Belastungen. Werkzeugmaterialien, hauptsächlich sind das Werkzeugstähle, Hartmetalle und Keramiken, stellen daher die Königklasse der Werkstoffe in ihrer Festigkeit bei Raumtemperatur und bei erhöhter Temperatur dar.
Die Schwierigkeit bei der Simulation der Werkzeugbelastung und der Werkzeuglebensdauer liegt neben der hohen und multi-physikalischen Beanspruchung auch an den meist nicht einfach abschätzbaren Randbedingungen aus dem Kontakt mit dem zu bearbeitenden Bauteil. Es ist daher nötig, zuerst den Herstellungsprozess zu simulieren, um daraus die Belastungen für das Werkzeug zu erhalten. Als Folge dieser meist druckspannungsdominierten Belastung zeigen die Werkzeuge selbst lokal unterschiedlich starke plastische Verformungen, was zu einem Aufbau von Zugeigenspannungen und einer damit einhergehenden Verschiebung der Mittelspannung in die Zugspannungsrichtung und einer Lebensdauerverkürzung führt.
Aufgrund der starken Belastungsgradienten zur Oberfläche hin ist die Lebensdauer typischerweise weniger stark von der Bildung eines ersten Anrisses als von der Rissausbreitungsgeschwindigkeit abhängig. Daher spielt eine bruchmechanische Restlebensdauerbewertung bei Werkzeugen eine große Rolle.
Referenzen
Eigenschaftsvorhersage & Eigenspannungsdesign
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