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Stähle für die Automobilindustrie: Verformung und Bruch von hochfesten modernen Multiphasenstählen

In letzter Zeit wurden ehrgeizige Ziele für die Senkung der CO2-Emissonen beschlossen, begleitet von rechtlich bindenden Richtlinien für die Automobilhersteller, den Treibstoffverbrauch und somit die CO2-Emissonen in naher Zukunft erheblich zu reduzieren. Ein zentraler Punkt, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Reduktion des Fahrzeuggewichts, beispielsweise durch dünnere Karosseriebleche. Dies ist wiederum nur durch den Einsatz hoch- und höchstfester Stähle realisierbar. Die Steigerung der Festigkeit von herkömmlichem Stahl geht üblicherweise jedoch auf Kosten wichtiger Eigenschaften wie Duktilität und Bruchzähigkeit. Einerseits ermöglichen diese eine rissfreie Umformbarkeit im Zuge der Herstellung teilweise komplexer Karosserieteile, andererseits sind sie notwendig, um den Anforderungen steigender Crashsicherheit zu genügen: im Fall eines Aufpralls sollen sich die Bauteile verbiegen, um Energie aufzunehmen und nicht brechen. Zielsetzung ist daher, höchstfeste Stähle zu entwickeln, die gleichzeitig dehnbar und bruchzäh sind.

Dieses starke Bestreben führte zur Entwicklung von hochfesten Multiphasenstählen. Hierzu zählen unter anderem DP-Stähle (Dualphasenstähle). Sie besitzen ein ferritisch/martensitisches Gefüge und zeichnen sich durch eine ausgezeichnete Kombination von Festigkeit und Duktilität (Dehnung) aus. Allerdings neigen vor allem die höchstfesten Varianten unter ihnen zu Rissbildung während der Umformung, besonders an scharfen Radien und Kanten. CP-Stähle (Complexphasenstähle) hingegen, die geringe Mengen an Ferrit und Martensit enthalten, zeigen zwar etwas geringere Duktilität (Dehnung) im Zugversuch, aber eine deutlich verbesserte Umformbarkeit bei engen Radien und Kanten.

Um die Zusammenhänge zwischen Mikrostruktur und Verformung bzw. Bruch besser zu verstehen, wurden zwei hochfeste DP- und CP-Stähle mit ähnlichen Eigenschaften im Zugversuch und der gleichen chemischen Zusammensetzung untersucht. Dazu wurden zwei methodische Ansätze angewandt.

1. In adaptierten Bruchmechanikversuchen wurde die Bruchzähigkeit der Stähle ermittelt. Die beiden chemisch identen Werkstoffe zeigten dabei deutliche Unterschiede in der Bruchzähigkeit bei ähnlichen Duktilitätseigenschaften.

2. Das lokale Verformungsverhalten wurde mittels lokaler Verformungsanalyse untersucht. Dabei werden die Blechproben im Rasterelektronenmikroskop in einer Zugvorrichtung beansprucht und die Verformungen in situ beobachtet. Bei jedem Verformungsschritt werden Bilder aufgenommen und mit einer speziellen Software (Digital Image Correlation) miteinander verglichen. Man erhält ein Feld von Verschiebungen und kann daraus Dehnungen bestimmen. Bei etwa 5000-facher Vergrößerung werden die Gefügebestandteile optimal dargestellt. So lassen sich die einzelnen Phasen, deren Größe sich im Bereich einiger Mikrometer bewegt, unterscheiden und jene Gefügebestandteile identifizieren, die am stärksten verformt werden. Nun zeigt sich, dass Verformung auf mikrostruktureller Ebene stark inhomogen abläuft: stark gedehnte Bereiche wechseln mit nahezu unverformten Bereichen ab. Der Grad und die räumliche Aufteilung dieser Verformungsinhomogenität beeinflusst maßgeblich die nachfolgende Schädigung. Die Ergebnisse der Analyse geben Hinweise darauf, von wo Risse ausgehen und welche Phasenkombinationen Vorteile bieten.

Durch Kombination beider Methoden konnten wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang von Mikrostruktur und Verformung bzw. Umformbarkeit gewonnen werden, um Bleche für leichte und sichere Automobile wissensbasiert weiter zu entwickeln. Dieses Projekt wurde mit der voestalpine Stahl GmbH in Zusammenarbeit mit dem Erich Schmid Institut für Materialwissenschaft (ESI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) umgesetzt.