Wasserstoff ist einer der wichtigsten Energieträger der Zukunft, da er ohne CO2-Emissionen hergestellt und umgewandelt werden kann.
Leider sind viele hochfeste Werkstoffe, die für die Herstellung einer effizienten Infrastruktur für Transport und Speicherung von Wasserstoff in Frage kommen, anfällig auf Wasserstoffversprödung. Dies gilt auch für Nickelbasis-Superlegierungen, die typischerweise für extrem beanspruchte Komponenten wie Verschraubungen verwendet werden. Unter Wasserstoffeinwirkung neigen einige Materialqualitäten zur Korngrenzenversprödung.
Korngrenzen (KG) sind spezifische mikrostrukturelle Einheiten von Werkstoffen, bei denen die lokale chemische Zusammensetzung im Vergleich zur gemittelten chemischen Zusammensetzung sehr unterschiedlich sein kann. Dies ist auf die Tendenz einiger Elemente zurückzuführen, in diesem atomar weniger dicht gepackten Bereich zu segregieren, der die Korngrenze zwischen Körnern unterschiedlicher kristallographischer Orientierung bildet. Einige der segregierenden Elemente, wie z.B. Wasserstoff, verringern die Kohäsion zwischen den Körnern, während andere die Kohäsion und damit die gesamten mechanischen Eigenschaften verbessern.
Wasserstoffversprödung wird für eine Reihe von katastrophalen Ausfällen in verschiedenen Industriezweigen verantwortlich gemacht, u.a. im Bauwesen und in der Erdölindustrie, und hat in mehr als 100 Jahren Forschung viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Direkte quantitative Untersuchungen dieses Phänomens sind jedoch erst seit kurzem möglich, nachdem moderne experimentelle und computergestützte Techniken entwickelt wurden, die eine Materialbeschreibung auf der atomaren Skala, der Skala eines Wasserstoffatoms, ermöglichen. Die atomistische Modellierung mittels Dichtefunktional-theorie (DFT)-Berechnungen bietet eine einzigartige Möglichkeit, die Intensität der Entmischung und die daraus resultierende Bindungsstärke von Korngrenzen zu bestimmen. Abb. 1 zeigt die Ergebnisse einer DFT-Hochdurchsatzberechnungsstudie für alle technisch relevanten chemischen Elemente (84!) in Ni. Basierend auf diesen Ergebnissen können die Legierungselemente entsprechend ihrer Wirkung auf die Kohäsionsfestigkeit von Korngrenzen klassifiziert werden, d.h. ob sie die Wasserstoffversprödung reduzieren (grüner Bereich), sie erhöhen (roter Bereich) oder ob sie neutral sind (gelber Bereich).
Die Implementierung dieser Daten in die vom Materials Center Leoben (MCL) entwickelte thermodynamische Modellierungssoftware SEGROcalc ermöglicht die Auslegung geeigneter Mikrolegierungskonzepte einschließlich optimierter Wärmebehandlungen. Die Validierung der Modelle und Berechnungswerkzeuge wurde mit Testlegierungen durchgeführt. Die vorhergesagte Entmischung wurde mit Hilfe von Atomsonden - Untersuchungen validiert und die Erhöhung der Korngrenzenfestigkeit in Mikro-biegebalken-Tests nachgewiesen (siehe Abb. 2).
Wirkungen und Effekte
Zur Verifizierung des Designkonzepts wurde eine computergestützt entwickelte Nickelbasis Superlegierung in einem größeren Maßstab hergestellt und unter Wasserstoffeinwirkung getestet. In Zugversuchen wurde eine Verbesserung der Bruchdehnung um den Faktor 5 erreicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der rechnerische Legierungsentwicklungsansatz den Materialdesignprozess um den Faktor 2 beschleunigt hat und zu radikal neuen Lösungen für das Design und die Entwicklung neuer Legierungen geführt hat.
Projektkoordination (Story)
Dr. Vsevolod Razumovskiy
Senior Researcher
Bereich Simulation
+43 3842 45922 - 69
vsevolod.razumovskiy(at)mcl.at
Projektpartner
voestalpine Böhler Edelstahl GmbH, Österreich
Equinor ASA, Norwegen
Erich Schmid Institut für Materialwissenschaften, Österreichische Akademie der Wissenschaften
Montanuniversität Leoben, Österreich
Norwegian University of Science and Technology, Norwegen